Verteidigungsminister Pistorius erwägt die Wiedereinführung der Wehrpflicht, um die Bundeswehr besser auf mögliche Krisensituationen vorzubereiten. Bis zum Sommer soll es eine Entscheidung dazu geben. Bis dahin werden verschiedenste Modelle europäischer Länder auf Umsetzbarkeit geprüft. Die Lage in Europa und der Welt macht deutlich, wie schnell eine effektive Verteidigung erforderlich sein kann. Es ist wichtig, hier langfristige Strategien zu entwickeln, damit Deutschland nicht nur selbst verteidigungsfähig sein, sondern auch seine Aufgaben innerhalb der NATO weiterhin zuverlässig erfüllen kann.
2011 war die Wehrpflicht ausgesetzt worden. Dass diese nun unverändert wieder eingeführt werden könnte, erscheint auch aufgrund der hohen Kosten und zahlreicher juristischer Hinderungsgründe fragwürdig. Auch die Kapazitäten für die Ausbildung sind nicht mehr im selben Umfang vorhanden.
Daneben ist noch nicht klar, wie hoch der tatsächliche Bedarf der Bundeswehr ist. Wie Generalinspekteur Carsten Breuer erklärt, werden die NATO-Pläne ausgewertet. Aussagekräftige Ergebnisse erwartet man erst in einem Vierteljahr. Erst dann wäre klar, wie viele Soldaten Deutschland im Kriegsfall innerhalb der NATO tatsächlich benötigt.
Neben vielen offenen Fragen steht für mich ein Punkt ganz weit oben auf der Bedenkenliste:
Mit der Einführung einer Wehrpflicht – unabhängig davon, ob ein bestimmter Prozentsatz oder ein Jahrgang als Ganzes verpflichtet werden soll – fehlen diese Rekruten im Umkehrschluss für die Dauer des Wehrdienstes bzw. des alternativen sozialen Dienstes in Ausbildungsbetrieben, Schulen, Hochschulen und anderen Stellen. Den bereits jetzt gravierenden Fachkräftemangel würde man damit nur verschärfen. Für die Wirtschaft, die händeringend nach qualifiziertem Personal sucht, wäre das ein Desaster. Vor diesem Hintergrund kann ich das verpflichtende Gesellschaftsjahr, das die CDU in ihr neues Grundsatzprogramm aufgenommen hat, nur als nicht zielführend betrachten. Auch wenn die Wehrpflicht wie angekündigt nur schrittweise wieder eingeführt werden würde, ändert das nichts an der Tatsache, dass uns schlicht und ergreifend nicht ausreichend junge Menschen zur Verfügung stehen, um den Bedarf in Wirtschaft und Bundeswehr gleichzeitig decken zu können.
Wir brauchen eine langfristige Planung, die neben der realen Bevölkerungsentwicklung auch die Bedarfe in Wirtschaft und Bundeswehr im Blick hat. Um die noch offenen Fragen auch rechtssicher beantworten zu können, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen.